"Fabel"
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Sachthema: Entstehung von destruktiven Lebensmustern
Die Autorin adaptiert dafür sehr frei die Darstellungsform einer Fabel. Die Geschichte lässt wichtige Zusammenhänge deutlich hervortreten: In welch frühem Alter Muster angelegt werden, wie schwierig sie manchmal zu erkennen sind, welche Auswirkungen sie haben und auch – sehr wichtig – welche Funktion. Und das ohne Anspruch auf Vollkommenheit, denn das Thema ist vielschichtig.
Fabel oder so etwas Ähnliches für ein Lebewesen mit dem Sternzeichen Fisch oder auch nicht
von ANGELA DETMERS
Es war einmal ein Fisch. Es war kein Goldfisch. Auch kein Barracuda. Kein Zierfisch, keine Moräne und kein Silberfischchen. Kein Hecht, kein Hai, kein Lachs. Und auch keiner von den noch nicht entdeckten. Es war eine einzigartige, wunderschöne Mischung aus allem, buchstäblich allem! Ausgestattet mit allem erdenklich Schönem, Gutem und Nützlichem, mit Hellem und Dunklem, mit Intelligenz und Kraft und Empfindsamkeit – und damit ein rundum wertvolles und liebenswertes Geschöpf.
Dieser in seiner ganz ureigenen Vielfalt einzigartige Fisch schwamm jedoch in einem Käfig herum, in den man ihn gesetzt hatte, als er noch ganz, ganz klein war. Man hatte ihm erzählt, dass dies der Platz für so einen wie ihn sei, und dass er dafür dankbar zu sein hatte, denn schließlich würden sie ihn auch füttern, ihm sagen was falsch und richtig sei, was welchen Wert habe, wofür es sich lohne, sich anzustrengen, wie viel Gemütlichkeit ihm in seinem Leben so zustehe, was seine Aufgaben seien, in welcher Art und Weise er für sie klaglos zu sorgen habe und sie machten ihm Hoffnung auf Zuneigung und Schutz und Liebe, bei entsprechendem Wohlverhalten natürlich, und viele andere Dinge mehr. Dies sei schließlich nicht wenig, und er sähe ja wohl, wie sie sich dafür abarbeiten müssten, und dass das Leben für sie ja weiß Gott auch nicht das reinste Zuckerschlecken sei und da wäre immerwährende Dankbarkeit und endloses Wohlverhalten zur Pflege ihrer kleinen und großen Egoismen ja wohl wahrlich kein allzu großer Preis.
Der kleine, muntere Fisch wollte natürlich um keinen Preis allein sein und wollte auch nicht verhungern und wollte gern viel wissen und wollte auch ein großer, starker Fisch werden und wusste auch selbst gar nicht, dass er hier nur eine von vielen anderen Möglichkeiten, dass Leben und sich selbst zu meistern, hörte und so nickte er, und tat fortan alles, um sich die Gunst zu erhalten. Er war bereit zu glauben!
Mit der Zeit jedoch musste er viel Kraft und Phantasie aufwenden, seine innere Stimme, seine Gefühle zum Verstummen zu bringen, sie als falsch einzustufen und anzuerkennen und viel zu oft merkte, spürte er seine eigene Überforderung nicht. Denn mit der Zeit fühlte er natürlich, dass das Wasser um ihn herum gar nicht schön warm, sondern kalt war, und dass er sich immer häufiger an den Gitterstäben blutig stieß und diese Enge spürte, und Essen war eigentlich gar nicht sooo wichtig, und er bibberte und schwamm näher an die Käfigtür.
Aber er wurde schroff abgewehrt, ein ums andere Mal darauf hingewiesen, man sei schließlich Fisch und keine Kuscheldecke und man hätte anderes zu tun, und er solle sich mal nicht so anstellen, man müsse sich ja sonst seiner schämen, und überhaupt ginge es ihnen bei solch einer Klagerei und Forderei ganz ekelig schlecht, und daran sei nur er schuld, und überhaupt sähe man ja wohl sofort, was für ein ganz und gar ungeratenes Exemplar ihnen da zu Teil geworden war, also das hätten doch nun wirklich schon alle mitbekommen, denn was sie allein durch Nachbarn und Verwandte durch ihn haben aushalten müssen, also nein, und er wolle doch wohl nicht, dass es seinen Wohltätern, seinen einzigen - sie vergaßen nicht, darauf hinzuweisen -, schlecht ginge. Und da sie nichts zu lachen fanden, wolle er sich doch wohl nicht rausnehmen, dass es ihm bessergehen solle als ihnen, auch dafür trüge er die volle Verantwortung, und wenn ein Fischkind nicht von alleine brav und hübsch(!) verständig sei, dann wisse man durchaus Mittel und Wege.
Da zog sich der kleine Fisch in seinen Käfig zurück, ganz in die andere Ecke und begann leise und manchmal auch ein wenig lauter zu murren und zu blubbern, vielleicht erlaubte das kleine Fischlein sich auch hin und wieder einmal über sein wirklich und tatsächlich vorhandenes Elend zu weinen, und manchmal versuchte es auch den Käfig mehr oder weniger kaputtzumachen, immer die Augen auf seine Versorger gerichtet, ob sie denn wohl sähen, was er da machte, damit sie mal ordentlich Notiz von ihm nähmen.
Und für unser Fischlein begann das große Warten, wann und wie sie es ihm wohl durch Zuneigung und Wärme und Liebe lohnen würden, all diese selbst verleugnerischen Anstrengungen und Entbehrungen und diese Energie, die er brauchte, um sich und seine Wahrnehmungen und all seine Bedürfnisse als falsch niederzuknüppeln, und wenn er sich auf die leiseste Hoffnung hin wieder einmal enttäuscht sah, verdoppelte er seine Anstrengungen, in der Annahme, es läge sicher nur an ihm, wenn die Versorger-Fische nicht sehen würden, wie doll er sich doch Mühe gab, und wenn er nur perfekt genug werden würde, und nur stark genug und sich nur genug quälen würde, dann ... Irgendwann in dieser Zeit begann ein Panzer zu wachsen - und das große Warten auf den Weihnachtsmann begann.
Und all die Jahre hindurch sah das Fischlein durch die Gitterstäbe die anderen Fische schwimmen - in Freiheit und in Spaß und Freude und im Spiel und mit Freunden und Familien, aber auch in absolut gefährlichen Gewässern, sah sie sich die Flossen verletzen, sah den einen oder anderen zu Tode kommen in für ihn unübersehbaren Strudeln, sah sie kämpfen, verlieren und weinen. Und sah sie sich und andere betrügen.
Komischer(?)weise und ganz nebenbei begann er in geheimer Voraussicht, sein Augenmerk immer mehr auf die zu richten, die nach seinem dafürhalten scheiterten oder auf das, was nicht funktionierte. Bis irgendwann das Nicht-Funktionierende für ihn das Normale war. Das was gut war, sah er selten.
Das Glück anderer machte ihn manchmal traurig, dann versuchte er sich am Leid anderer zu trösten, und manchmal konnte er es kaum ertragen, die Sehnsucht, und er meinte, Glück nie erreichen zu können, und verspürte eine Art Erleichterung, wenn er das Gute ignorierte, er wusste nichts davon, dass die meisten viel dafür bereit waren zu opfern, zu tun, auszuhalten und vieles mehr.
Aber immer wieder drang das Lachen anderer Fische in seinen Käfig, zärtliches Geflüster, das freundliche Hallo und alles miteinander. Und das schöne Blau und Grün des Meeres, und mit Schattierungen, wenn das Gold der Sonne sich seinen Weg bahnte, dass einem der Atem stocken konnte vor Schönheit, und in der Ferne Silhouetten fremder, verheißungsvoller, verlockender, vielversprechender Berge, Täler und Landschaften in Farben, Formen und in einer Vielfalt, dass es nur so eine leuchtende Pracht war.
Gelegentlich kam ein anderes Fischlein herbeigeschwommen und sagte freundlich guten Tag. Mit einigen spielte er und erzählte sich was, sie kamen eine Zeitlang wieder und eines Tages nicht mehr. Darüber war das Fischlein traurig. Er begann Kunststückchen einzustudieren, probierte verschiedene aus, und hatte schließlich einige gefunden, mit denen er den anderen Fischlein eine Weile imponieren oder sie am gehen hindern konnte.
Er musste sich ziemlich anstrengen, die anderen Fische zu erreichen, er konnte ja nicht nahe an sie heran und die anderen natürlich nicht an ihn, er nutzte den Käfig so gut er konnte und war so unglaublich damit beschäftigt, dass er sich selbst und das, was ihn wirklich ausmachte und was er so dringlich gebraucht hätte, gar nicht mehr fühlen konnte und auch schon zu vergessen begann. Auf die Idee, es könne jemand freiwillig und mit Vergnügen bei ihm bleiben wollen, während er so ganz ohne Anstrengung nur er selbst sein könnte, darauf kam unser Fischlein nicht - war ja kein Wunder. Unterdessen wuchs sein Panzer unmerklich weiter und das Warten auf den Weihnachtsmann nahm immer größere Formen an.
Das Fischlein wurde langsam älter und größer. Er hatte seine Zweifel im Griff. Wenn ein anderer Fisch fragte, sag mal, warum wohnst du in so einem komischen Käfig? Dann fühlte er ganz erschrocken seinen Magen krampfen oder das Atmen setzte unmerklich für den Bruchteil einer Sekunde aus, und er hörte sich augenblicklich die Vorteile eines solch feinen „sicheren“ Käfigs verteidigen, die Schönheit preisen, die Bequemlichkeit, und wenn die anderen zweifelnd oder gar ungläubig schauten, dann fing er an, seine eigene Angst, sie könnten am Ende recht haben, mit dem was sie sagten, mit diesen wahren Ketzerdingen, von denen er das meiste noch nicht einmal zu denken wagte (so sehr brauchte er das Nichtwissen als Schutz, denn das all seine jahrelange Qual vergeblich gewesen sein sollte und all sein mühsam bewahrtes Wohlverhalten, die Entbehrungen und Schmerzen, nein, nicht auszuhalten) da fing er sofort und mit zornigem Nachdruck an, den anderen, aber eigentlich mehr sich selbst zu sagen, sie wüssten ja gar nicht, was wirklich und wahrhaftig gut sei, und was wirklich falsch sei, denn so wie sie da draußen rumschwämmen, das sähe doch wohl noch jeder, sei es ja wohl nur Kacke, so einfach nur so durcheinander und sowieso nur Streit und überhaupt alles schlecht - aber die Argumente wurden schnell schwächer und leiser, doch das merkte niemand, weil die anderen Fischlein so viel nun auch nicht wissen wollten von diesem kleinen Fisch und Zeit hatten alle sowieso nicht.
Und ohne es zu ahnen, schützte der kleine Fisch auf diese Weise auch seine Versorger-Fischeltern. So lebte das Fischlein einsam und mit stetig wachsendem Panzer vor sich hin und wurde groß und größer.
Als junger Fisch hatte er noch mächtig viel Kraft und konnte es schaffen, dass ein oder andere Mal samt Käfig soweit davonzukommen, wie er die Ketten nur lang ziehen konnte. Aber das währte nicht lang, und bald sah er die Sinnlosigkeit seines Tuns ein und begann, sich mit dem Zustand abzufinden und sich in und mit seinem Käfig, so gut es ging, zu arrangieren.
Eines Tages war aus dem kleinen Fischlein ein ausgewachsener, schöner und starker Fisch geworden. Er hatte viele innere und auch ein paar äußere Verletzungen davongetragen, aber davon erzählte er so gut wie niemandem, und er selbst hatte Wege gefunden, sie nicht allzu sehr zu spüren und zur Not wusste er noch immer genügend Argumente, mit denen er den Sinn seiner Verletzungen vor sich und den anderen hätte rechtfertigen können, damit die Versorger-Fische auch weiterhin geschützt blieben und er nicht erst umdenken musste.
Der Käfig war inzwischen längst zu klein geworden. Manchmal konnte er darin kaum atmen, war fast bewegungsunfähig, was in Teilen seines Körpers immer wieder zu Schmerzen und zu wahren Taubheitsgefühlen führte, er konnte sich längst nicht mehr spontan drehen und wenden und auch für einen anderen Fisch - wenn denn je einer mit in einen Käfig wollte - war längst kein Platz mehr.
Und so schaute unser Fisch mit großen, traurigen Augen und voll ungestillter Sehnsucht - ein wunderschöner und so liebenswerter Fisch - aus seinem „Zuhause“ heraus, blind, taub und mit stillgelegten Gefühlen. Diese war er besonders bemüht zu ignorieren, denn um Neptuns willen bloß nicht fühlen, denn sonst - so hat er tiefste, nackte Angst - sonst verlöre er noch den Verstand, wenn er all diese jahrelange lieblose Behandlung, diesen horrenden Mangel an Liebe und Verständnis und Berührung fühlen müsste, wofür er mit seiner Jugend... , nein, wenn er glauben müsste, dass das, was er all die Jahre als „richtig“ eingebläut und vorgekaut bekommen hatte, - wo doch nichts durch noch so eine häufige Wiederholung „richtig“ wird -, unter Schmerzen und nackter Selbstverleugnung gelernt hatte, nein, allein der Gedanke, all seine Opfer sollten umsonst gewesen sein , dieser gewaltige, Jahre währende Kraftakt, für die er seine Intelligenz und seine Empfindsamkeit wieder und wieder mit Flossen getreten hatte, dieser Kraftakt, den anderen mehr Glauben zu schenken als sich selbst und seinen eigenen Wahrnehmungen, diese Leugnung all seiner bewussten und oft so unbewussten (was für ein gnadenvoller Selbstschutz ein ums andere Mal) Bedürfnisse, da befällt ihn eine wilde Panik und er fürchtet, es nicht aushalten zu können.
Und dazu wie blind! Denn er nahm überhaupt nicht wahr, dass sein Käfig längst völlig verrottet und kaputt war, nicht mal, dass bereits ganze Gitterstäbe fehlten und schon gar nicht, dass das Schloss schon seit vielen, vielen Jahren verrostet und völlig veraltet zu Boden gefallen war. So weigerte sich der Fisch beharrlich und so voller Trotz, das Knarren der Türangeln, das leise Schlagen der Tür im Rhythmus der Meeresströmung zu hören, blind und taub geworden gegenüber der Tatsache, dass aus den lieblosen ehemaligen Bewacher-Fischen schon vor langer Zeit alte, kranke, geschrumpfte, in sich selbst gefangene Wesen geworden waren, die von Ihrem Mythos leben und auf Kosten der Tatsache, dass Lebewesen Gewohnheitstiere sind. Sie haben dabei längst den Käfig aus den Augen verloren, ab und zu probieren sie aus, ob noch ein Wort, eine Geste, ein Blick, ein alter Trick ausreicht, den Fisch in gewohnter Weise in Schach und unter Druck zu halten, zu prüfen, ob er das, was sie ihm erzählt haben - besonders das über seinen Wert und was ihm im Leben so zusteht und welche Rolle er dort so zu spielen hat und das er sonst überhaupt nicht zu spielen hat - ob das noch Wirkung zeige und funktioniere. Und erstaunlich, erstaunlich, noch immer schaute unser Fisch mit großen, aufmerksamen und hungrigen Augen zu Ihnen auf - oder inzwischen eher herunter - und wartete noch immer auf deren Liebe für so viel und so lange durchgehaltenen, unerschütterlichen Glauben, eines Tages würden sie ihm all das geben, wofür er sich fast gang und gar aufgegeben hatte. Das Warten auf den Weihnachtsmann war zu einem Lebensinhalt geworden.
Eines Tages schwamm eine Löwe-Fischfrau an diesem Käfig vorbei, der ihr merkwürdig bekannt vorkam. Sie versuchte den Käfig in seiner ganzen Tragweite wahrzunehmen, sah die Duplizitäten, erinnerte sich an eigenes Leid und eine tiefe Zuneigung erfasste sie zu unserem Fisch. Sie sah den wunderschönen und starken Fisch, nahm den Panzer wahr, das Unglück, aber auch die Kraft, die Empfindsamkeit und die Intelligenz. Sie verliebte sich in unseren Fisch und begann ihm zu erzählen, was sie sah und fühlte.
Nun hatte der Fisch bereits seine eigenen Erfahrungen mit vorbeischwimmenden Fischfrauen und Fischfrauen überhaupt und so beäugte er sie misstrauisch. Er hörte etwas von Nähe und Wärme, Spaß und Lebensfreude, von Liebe und Zuneigung, von einander und sich selbst ernstnehmen, von Achtung und gegenseitiger Unterstützung - und vieles davon war ihm vertraut, waren es doch Bestandteile seiner Träume.
Dennoch verunsicherte ihn vieles an ihren Erzählungen, rüttelte an seinen morschen Gitterstäben. Inzwischen musste er von innen die Käfigwände bereits mit den Händen zusammenhalten und Reparaturen von innen ausführen, damit nicht alles um ihn herum zusammenkrachte, so baufällig war das Ganze. Somit waren seine Hände beschäftigt, und er beraubte sich der Möglichkeiten, zu „handeln“.
Aber dennoch - es war sein Zuhause, sein einziges, was hatte er sonst, und er duldete es nicht, das da einfach jemand so daherkam und ihm - wie schon früher das ein oder andere Lebewesen es versucht hatte -, seinen Käfig von außen einfach auseinandernahm, ohne ihn zu fragen, ob er das überhaupt wolle und ohne zu sehen, dass man ihm damit alles nimmt, und ohne das er wüsste, was er je anderes schaffen könnte, sich zu holen - oder besser einzutauschen.
So begann er sich verständlicherweise gegen ihre Rütteleien zu wehren und gegen das von ihr entworfene Bild einer Freiheit. Sie schöpfte Mut aus sich und dem Universum und was sie sonst noch so erzählte, und er schützte seine „Überzeugungen“ so gut es ging dadurch, dass er einfach sagte: die spinnt!!
Die große, große Angst davor, seine vertraute Welt zu verlassen, begann er dahinter zu verstecken, dass er Dinge sagte wie: Es ist zu spät, ich bin zu alt, ich bin es nicht wert, sollen doch erst mal die anderen, denn wenn das so leicht wäre, dann..., und gerade das Löwe-Fischlein solle mal ganz ruhig sein, jeder Blinde sehe doch, wie tief sie im Dreck stecke, obwohl er selbst nicht daran glaubte, dass etwas Gesagtes bloß dadurch schon falsch wird, weil es von einem Theoretiker kommt, und so sagte die Löwe-Fischfrau zwischendurch immer mal wieder laut „Papperlapapp“ und erzählte mutig weiter, obwohl sie eigentlich manches Mal mehr fühlte als wusste und obwohl sie selbst oft genug mit ihrer eigenen Angst ihre liebe(!) Not hatte.
Aber sie war ein aufmerksames Lebewesen und spürte ihre Grenzen und begann zu schweigen. Nur manchmal konnte er in ihren Augen lesen und manchmal flüsterte sie in seinen Träumen und manchmal fühlte er es in ihren Händen, was sie ihm so gern sagen wollte:
Noch, Du einmaliges, wunderschönes Geschöpf dieses Meeres, Du Bereicherung unser aller Dasein, noch verfügst Du über Platz, Dich zu wenden, um Deinem Leben und Dir und Deinen Träumen und Deinen Schätzen, Deinen inneren Schätzen, allen Raum zu geben, den Du Dir wünschst, noch kannst Du eine Entscheidung treffen - für Dich und für die warmen, sonnigen, behaglichen Strömungen dieses wundervollen Meeres.
Aber wisse: Nur Du allein kennst den Weg aus Deinem Käfig und nur mit Deiner eigenen Kraft und Deinem eigenen Mut und Deinem eigenen Willen wird es Dir gelingen!
Die Löwe-Fischfrau liebte den Fisch und wünschte ihm von Herzen, dass er jemanden finden und sich trauen möge, ihn an seine Gitterstäbe zu bitten, damit er nicht so allein sei, wenn er tatsächlich das größte Abenteuer eines Lebewesens wagen sollte, selbständig und in eigener Verantwortung zu denken, zu fühlen und zu handeln.
Davor jedoch muss er den Panzer vorsichtig lüften, Kontakt aufnehmen zu seiner Angst, muss sie fühlen und sie ernstnehmen und die Tränen schmecken, sich die Sätze der Angst und der Befürchtungen aussprechen hören, die Verlorenheit spüren, um Schritte zu wagen - und seien sie noch so klein. Dein Käfig, möchte Dir die Löwe-Frau noch sagen, geht niemals verloren, er wird immer in Deiner Nähe sein, und Du kannst jederzeit wieder in ihn zurück. Ich liebe Dich.
E N D E